„Wir müssen den städtischen Luftraum als Schutzgut betrachten, als ein Element von Natur und von ‘Heimat’“

Konrad Otto-Zimmermann, von "The Urban Idea" zur Zukunft von Transport- und Passagierdrohnen in Deutschland.

In den nächsten Wochen befragen wir Mitglieder unseres Expertenbeirats sowie weitere Expertinnen und Experten zu ihrer Einschätzung der Zukunft von Transport- und Passagierdrohnen in deutschen Städten. Wo sehen sie mögliche Chancen und Risiken und wie könnte der Luftverkehr im Jahr 2030 aussehen?

© Barbara Breitsprecher

Konrad Otto-Zimmermann, Experte für Städteplanung und Mobilität und Kreativdirektor bei „The Urban Idea“ zur Zukunft von Transport- und Passagierdrohnen in Deutschland.

1. Was ist ihr Bezug zu Drohnen, persönlich oder in Ihrer Arbeit?

Kommunale Mobilitätsstrategien sind eines meiner Hauptarbeitsfelder.

Kommunen werden künftig langfristig orientierte Mobilitätsstrategien aufstellen müssen; herkömmliche Verkehrsplanung reicht nicht mehr aus. Dazu müssen sie sich mit dem breiten Spektrum neuer Mobilitäts- und Transportlösungen – ob im Verkehrsmittel-, Verkehrsinfrastruktur-, Dienstleistungs- oder Managementbereich – vertraut machen. Zu den neuen Verkehrs- und Transportmitteln zählen Drohnen, und auch drohnenbasierte Transportdienstleistungen treten hinzu.

2. Wo sehen Sie die größten Chancen und Potenziale der Nutzung von Paket- und Passagierdrohnen in Deutschland?

Für Paketdrohnen sehe ich Einsatzchancen dort, wo im ländlichen Raum entlegene Einzelempfänger zu bedienen sind und lange Transportstrecken oder schwierige Geländeverhältnisse zu überwinden sind – wo die Störungen durch Drohnen minimal sind und längere Zustellfahrten mit Kraftfahrzeugen ersetzt werden. Dies sind dünn besiedelte ländliche Räume und Gebiete in denen Gewässer oder Berge und Täler eine Trennwirkung aufweisen. Hinzu kommen spezielle, bevorrechtigte Transportzwecke wie die oft ins Feld geführten Organ- oder Medikamententransporte.

Für Passagierdrohnen mag es ein Potential im Flughafenzubringerverkehr geben, wobei hier elitäre Tendenzen absehbar sind: wer besser gestellt ist und ggf. einen Drohnenstart-/ -landeplatz auf dem (Firmen-) Grundstück hat, kann es sich leisten, sich über den Straßenverkehr zu erheben, in dem die Allgemeinheit im Stau steht. Eine Bodenverkehrsentlastung wird sich hierdurch nicht ergeben. Vergleichbares gilt für Zubringerdienste zu Messe- und Ausstellungsgeländen. Aber schon an Fernbahnhöfen wird es in der Regel keine Luftverkehrslandeplätze geben können.

An touristisch interessanten Plätzen mögen Drohnenrundflüge als Attraktion Angeboten werden; sie werden Hubschrauberrundflüge ersetzen. Ein weiteres Anwendungsfeld für Passagierdrohnen können Intercity-Flüge sein, vor allem, wo aufgrund der Topographie keine schnellen Landverbindungen existieren. Aber auch hier wird es keine nennenswerte Bodenverkehrsentlastung geben. Solche Flüge sind als nicht erforderliche Verkehrserzeugung zu Vergnügungszwecken anzusehen.

3. Was sind für Sie die größten Probleme und Risiken dieser speziellen Nutzung von Drohnen?

Das größte grundsätzliche Problem sehe ich im Mangel an Bewirtschaftung des unteren städtischen Luftraums, vom Raum zwischen den Häusern bis zu einer Höhe von 500 Metern über dem Boden. Dieser Raum gehört zum Stadtraum, aber es gibt kein kommunales Instrument zur Regelung seiner Nutzung. Soll der städtische Luftraum überhaupt für den (Flug)Verkehr erschlossen werden? Wo soll gestartet, geflogen und gelandet werden können? Welche Institution erteilt Start-, Überflug- und Landrechte? Wer weist Flugkorridore aus?

Fragen, die sich hieraus ergeben, sind auch, sollte die Flächennutzungsplanung zu einer Raumnutzungsplanung erweitert werden?, Sollten Verkehrsentwicklungspläne bzw. der Sustainable Urban Mobility Plan (SUMP) den städtischen Luftverkehr einschließen?, Brauchen wir eine kommunale Drohnenleitplanung?, Wer setzt Start- und Landepunkte bzw. Flugkorridore digital fest und betreibt Geofencing?, Brauchen wir kommunale Luftverkehrsbehörden?, Wo ist die Schnittstelle zur Zuständigkeit der staatlichen Luftverkehrsaufsicht?

Ich sehe den Drohnenverkehr per Einzelgenehmigungen in die Städte einziehen und wie die Städte von den Marktkräften überwältigt werden, obwohl jetzt noch Zeit dafür wäre, einen vernünftigen Regelungsrahmen zu entwickeln. Dies ist relevant, weil wir den städtischen Luftraum als Schutzgut betrachten müssen, als ein Element von Natur und von „Heimat“. Da von Natur die Rede ist: wir warten auf die Position der Naturschutzexperten, denn Drohnen gefährden bzw. verdrängen Vögel und Insekten gerade im unteren Luftraum.

4. Wie sehen Sie die Rolle von Transport-Drohnen in Deutschland im Jahr 2030?

Die Rolle von Transportdrohnen in städtischen Räumen hängt stark davon ab, wie die öffentlichen Hände den unteren städtischen Luftraum behandeln und welche Instrumente zu seiner Nutzungsregelung eingeführt und angewandt werden. Dies wiederum wird stark von der Sicherheit des Drohnenverkehrs abhängen. Erweisen sie sich als sicher, werden Flugkorridore für Mitteldistanzflüge über Bundesfernstraßen und städtischen Hauptverkehrsstraßen eingerichtet werden können; wenn nicht, mag es eine Knappheit an erwünschten bzw. zugelassenen Korridoren geben.

Wenige Chancen sehe ich für Drohnenverkehr in Innenstadtbereichen, schon in Ermangelung von zielnahen Landeplätzen, aber auch aufgrund der Belästigung.

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